Hunsrücker Wege

von Berthold Staudt

Endlos scheinende Waldgebiete, wilde Bäche, stürmische Höhen und milde Tallandschaften gestalten eine Landschaft zu einem verlockenden Wandergebiet für jede Jahreszeit. Neben vielen geologischen Besonderheiten und einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt überraschen Zeugnisse Jahrtausendalter Geschichte. Wenig bekannte Burgen überragen kleine Orte mit typischen Schieferdächern. Keltische Höhenfestungen, uralte Grabhügel und römische Heiligtümer liegen oft in unmittelbarer Nachbarschaft von eindrucksvollen Naturdenkmälern und beliebten Ausflugszielen.“ Diese Worte [1] die eine märchenhafte Landschaft beschreiben, sollen eine neue Artikelserie einleiten. In ihr werden Streifzüge vorgestellt, die es sich zu erwandern lohnt, um zu erleben, was es jenseits von Hauptverkehrsstraßen zu sehen und zu bestaunen gibt. Denn nicht im Märchen ist diese Landschaft zu suchen, sondern bei uns im Hunsrück, in unserer Heimat, hierzulande begegnet uns diese Vielfalt an Eindrücken.  Das Wandern, eine wunderschöne Freizeitbeschäftigung, schafft Ausgleich zum Alltag und zum Beruf. Es führt uns im Erleben der Natur zu unseren Ursprüngen zurück. Unterstützt werden wir dabei von Wanderwegen, die uns durch Natur und Landschaft geleiten und dadurch die Möglichkeit schaffen, beides zu erleben. In unserer hochtechnisierten und schnelllebigen Zeit sollten wir uns erinnern, dass Wege und Pfade mit zu den ersten Kommunikationsmitteln überhaupt gehörten. Über Wege und Pfade gelangten schon unsere Urahnen von Ort zu Ort. Wege und Pfade ermöglichten gesellschaftliche Beziehungen. Wege und Pfade dienten dem Transport von Jagdbeute und anderen zum Überleben notwendigen Gütern. Durch Wege und Pfade wurden neue Landstriche erschlossen. Heraus aus Dörfern und Städten sollten uns Wege und Pfade auch heute noch zu den Schönheiten der Landschaft, zu historischen Stätten und Denkmälern sowie zu den Geheimnissen der Natur bringen.

 

Auf dem „Holzweg“ von Morbach nach Weiperath zum Hunsrücker Holzmuseum und zurück

Der Hinweg

Wir beginnen unsere Wanderung am Pont-sur-Yonne-Platz am Busbahnhof in Morbach. Dem Wanderweg 1 folgen wir entlang der Bernkasteler Straße und überqueren die Hunsrückhöhenstraße über die Brücke. Nun gehen wir nach links ins Dhrontal nach Rapperath. Durch den Ort, dem Dhronbach folgend, gelangen wir zum Großen Herrgott von Rapperath, wo wir auf zwei kleine Kapellen treffen.

grosser herrgott2grosser herrgott1Die Rapperather und der „Große Herrgott“ sind seit Jahrhunderten eins. Noch heute erfolgt jährlich der Bittgang, der anlässlich einer Rinderpest im Jahre 1800 gelobt wurde, wobei der Ortsvorsteher die Kerze trägt.Gegenüber den beiden Kapellen, auf der anderen Seite der Kreisstraße, erblicken wir den Rapperather Wacken. Dieser große Felsen ist ein Teil von oftmals mehrere Kilometer langen Quarzitgängen im mittleren Hunsrück, die sich bis zum Moseltal erstrecken und als weit sichtbare Felsen über den Schiefer hervortreten. Auch der Rapperather Wacken stellt ein imposantes Naturdenkmal unserer Heimat dar. Er besteht aus kristallisierter Kieselsäure (SiO2) und entstand wie der Hunsrückschiefer, als das Devonmeer zurücktrat und der Meeresbodenzur Erdoberfläche wurde. Bei der durch starken seitlichen Druck hervorgerufenen Gebirgsauffaltung im Erdzeitalter des Perm vor etwa 300 Millionen Jahren bildeten sich hohe Gebirge. In der Erdkruste entstanden durch vulkanische Aktivität mächtige Spalten, in denen kieselsäurereiches Wasser langsam abkühlte und den Quarz ausfällte. Der Quarz ist wesentlich härter als der ihn umgebende Tonschiefer, wodurch er der Erosion mehr Widerstand bietet und als Klippe „herauswittert“. So überragt der Rapperather Wacken heute noch das Tal der Dhron. Weitere große Felsen innerhalb dieser Quarzitgänge finden wir zum Beispiel als „Graue Eltz“ bei Hinzert-Pölert, „Prosterather Wacken“, „Berglichter Wacken“, „Hunolsteiner Felsen“ oder als „Graue Ley“ bei Heinzerath. Nach diesem kleinen Ausflug in die Geologie setzen wir unsere Wanderung fort und folgen dem Wanderweg 1 überdie Dhronbrücke nach rechts Dhronabwärts bis zur Jagdhütte. Halblinks führt der Weg jetzt leicht ansteigend auf den Auenberg. Genießen wir den herrlichen Blick ins Dhrontal und auf den Haardtwald mit dem Haardtkopfsender. Wo der Wanderweg 1 nun nach rechts wieder ins Tal abbiegt, verlassen wir diesen und folgen halblinks dem Grasweg einen kleinen Hügel hinauf über die Weiperather Flur zum Lexe-Kreuz.

lexe kreuzDas Schaftkreuz aus rötlichem Sandstein trägt am Sockel die Jahreszahl 1771. Eine Weintraube und ein Pferdekopf als Symbole deuten auf den Grund für das aus Dankbarkeit errichtete Wegkreuz hin. Der Name „Lexe“ ist als Hausname von Alexander abgeleitet. Alexander Heen, ein Bauer aus Weiperath, hatte sein Pferd auf die Nachtweide an der Dhron gebracht und schaut noch bei seiner Nachbarin, der Witwe Anna Zerwes, vorbei, deren Tochter schwer erkrankt war. Es sah nicht gut aus für die kleine Marie. Nur ein Arzt konnte sie retten, aber dieser wohnte weit weg in Birkenfeld. Alexander Heen wollte nach Birkenfeld fahren und den Arzt holen. Also ging er zurück zur Nachtweide, stieg auf sein Pferd, um zum Dorf zu reiten. Der gleichmäßige Rhythmus des Pferdes verstärkte seine Müdigkeit, versunken hockte er auf dem Rücken des Tieres. Doch was war das? Sein Pferd wuchs und wuchs, es wurde riesengroß. dorfplatz1Bald überragte er die hohen Fichten des nahen Waldes. In seiner Angst und Verzweifelung fleht er zu Gott: „Herr, hilf mir, lass uns nicht zugrunde gehen. Ich verspreche dir, zum Dank hier ein Kreuz zu errichten!“ Der Zauber ließ nach. Alexander machte sich auf den Weg nach Birkenfeld. Die kleine Marie wurde gerettet. Alexander Heen aber hielt sein Versprechen und errichtete das Kreuz auch zum Dank dafür, dass das Kind gerettet worden war. [2] 

Nun sind es nur noch wenige hundert Meter bis zum Ort Weiperath. Auf der Dorfstraße, vorbei an der Nachbildung eines Eisenhammers, der auf den Weiperather „Großhammer“ im Dhrontal hinweisen soll, der dort unterhalb der Hammerbrücke bis Anfang des 19. Jahrhunderts gearbeitet hat [3], erreichen wir das Hunsrücker Holzmuseum.

Lassen wir uns von der Symbolfigur „Hanni-Holzwurm“ durch die Geschichte und Vielfältigkeit des wichtigsten Rohstoffes in der Kulturgeschichte des Menschen führen. Anschließend sollten wir eine Rast im Museums-Café einlegen.

 

Der Rückweg

kapellchenWir verlassen Weiperath in südlicher Richtung über den bituminösen Wirtschaftsweg unterhalb des Friedhofes und gehen nach etwa 250 Meter links in den unbefestigten Flurweg zum Backes-Kapellchen.

Die Sitzgruppe unter der etwa 300 Jahre alten Eiche lädt zum Verweilen ein. Das gepflegte Kapellchen ist neben dem Ziel für stille Gebete vielfach auch Motiv für Fotografen oder Landschaftsmaler. Aus Dankbarkeit über die Gesundung ihrer schwer erkrankten Tochter erbauten die Eheleute Josef Stein und Maria, geborene Lieser aus Weiperath, Hausname „Backes“, um 1855 die Kapelle an dem Standort, wo vordem ein Bildstock aus Sandstein gestanden hat. Auf dem erhaltenen Teil ist, stark verwittert, das Bild der Flucht nach Ägypten, das Motiv von „Maria Ruh“, erkennbar [4]. Vergessen wir nicht während des kurzen Verweilens einen Blick zurück in die herrliche und weite Dhrontallandschaft zu werfen. Wir setzen den Weg links haltend bergauf unter der Hochspannung hindurch bis zum übernächsten Querweg fort. Diesem folgen wir nach links und erreichen kurz hinter dem 1970 erbauten Kapellchen beim Majich Wäldchen die Kreisstraße nach Gutenthal. Dieser folgen wir etwa 200 Meter nach rechts und biegen hinter dem Wasserbassin links ab. Durch den Wald, Distrikt Die Wacken [5] . gehen wir etwa 700 Meter, bevor wir auf einen Hauptweg gelangen, dem wir eine kurze Strecke nach rechts folgen. An der folgenden Abzweigung halten wir uns links und gelangen an den Waldrand, dem wir entlang wandern und über freies Feld den Heiligenwegoder Helljeweg [6] und damit den Wanderweg 1 erreichen. Dem Wanderweg 1 folgen wir nach links entlang des Gewerbegebietes bis zur Hunsrückhöhenstraße. Diese wird vorsichtig überquert, anschließend gehen wir nun durch das Morbacher Baugebiet Auf der Huhf zurück in den Ort und zum Ausgangspunkt unserer heutigen Wandertour.

 

[1] aus Forsch, „Wanderführer Hunsrück“, Deutscher Wanderverlag Dr. Mair & Schnabel & Co, 3. Auflage 1995

[2] aus „Der hartherzige Vogt“, © Grundschule Gutenthal, Morbach, 1992

[3] Der „Großhammer“ zu Weiperath, „DIE HOTT“, Ausgabe Nr. 10, Seite 18

[4] Alois Schommer, „Weiperath – Ein Dorf und seine Geschichte“, Paulinus Druckerei GmbH, Trier 1994, Seite 341f

[5] Von dem Waldstück „Die Wacken“ handelt auch die Sage „Das Fichtelemännchi “, welche in dem Büchlein "Der hartherzige Vogt" nachgelesen werden kann. Das Heft kann im Hunsrücker Holzmuseum erworben werden.

[6] Eine Erklärung für den Begriff „Heiligenweg“ ist dem Autor nicht bekannt. Es liegt die Vermutung nahe, das die Bezeichnung nicht von dem Wortstamm „Heilig“ herrührt, sondern von „Hell“, was Halde oder Anhöhe, also eine erhöhte Stelle im Gelände bedeutet (vergleiche auch „Dell“ oder „Delt“ = Vertiefung im Gelände,Tal). Es handelt sich bei dem „Helljeweg“ also um den Weg auf die oder zur Halde (altes Bergwerk?) oder Höhe.