Trierischer Volksfreund im Juli 1998
Was ein kleines Dorf so alles auf die Beine stellt
Zur Feier des 900. Geburtstages bauten Weiperather Bürger traditionelles Hammerwerk nach - Der ganze Ort hat kräftig mitangepackt.
Von Ulrike Löhnertz
Morbach-Weiperath. Unermüdliche Waschweiber, in blau-weiß- gestreifte Arbeitskleider und Kopftücher gehüllt, schrubbten und klopften in den großen Steintrögen am Weiperather Brunnen eifrig das weiße Leinen. Fleißige Wollspinnerinnen mit Häubchen drehten am Spinnrad Berge an Schafswolle zu Garn. Eine Flachsspinner-Gruppe hechelte emsig die gelben Flachsbündel. Schinderhannes und seine Räuberbande aus Morbach trieben in den Weiperather Straßen ihr Unwesen. Zwei hellbraune Haflinger kutschierten ein lustiges Völkchen im Planwagen durch den Ort. Fast schien es, als sei in dem kleinen Hunsrückort die Zeit vor 100 oder 200 Jahren stehengeblieben. Doch der Schein trog. Denn die 320-Seelen-Gemeinde hatte sich aus Anlass ihrer 900-Jahr-Feier auf eine Reise in die Vergangenheit begeben. Zu dieser längst vergangenen Zeit gehörte auch der Weiperather Eisenhammer.
In das verträumte Tal der Dhron, etwa zwei Kilometer unterhalb Rapperaths, brachten vor etwa 200 Jahren das Klappern einer Malmühle und das Klopfen eines Eisenhammerwerkes Leben. Um 1850 wurde das Werk stillgelegt. Als die "Weiperter" Anfang 1997 mit den Vorbereitungen für die Feier des runden Geburtstages ihrer Gemeinde begannen, entschloss sich der Ortsbeirat, auf dem Brunnenplatz ein traditionelles Hammerwerk nachzubauen.
Am Samstagmittag endlich erschallte wieder ein Eisenhammer über das ganze Dorf. Albert Gauer, pensionierter Schmiedemeister aus Haag, mühte sich bei der Einweihung des Eisenhammers unter den Augen von Ortsvorsteher Herbert Schuh und der etwa 150 Besucher auf dem Dorfplatz redlich, die Funktionstüchtigkeit der neuen Gerätschaft zu beweisen. Nach einer halben Stunde, mehrmaligem Erhitzen des Eisenstabes und unzähligen Hammerschlägen, war es dem Handwerker schließlich gelungen, ein Spitzeisen zu fertigen. Angesichts dieser Geduldsprobe kommentierte der Schmied lapidar: "Das ist eben ein Rentnerhammer."
Damit spielte er nicht nur auf die langsame Schlagfrequenz und die fünf Kilo Leichtgewicht des Hammers an - funktionstüchtige Hammerschmieden arbeiten mit Gewichten zwischen 40 und 150 Kilo. Seine Bemerkung war zugleich ein wohlgemeinter Seitenhieb auf die von Schuh gewürdigten "rüstigen Rentner", die während der siebenmonatigen Bauzeit an der modernen Demonstrationsschmiede tatkräftig mitgewirkt hatten.
Erich Petry, Mitglied des Festausschusses, hatte gar ausgerechnet, dass dei etwa 50 Freiwilligen rund 8 000 Stunden für die Neugestaltung des Brunnenplatzes geackert hatten. Aber nicht nur die Verlegung des alten Dorfbrunnens und der Bau des Hammerwerkes mit Sandsteinmauern, einem hölzernen Wasserrad und einer Umlaufpumpe hatte der Dorfbevölkerung einiges abverlangt.
Denn die Hammerschmiede war nur ein Steinchen im Mosaik der Jubiläumsvorbereitungen. 18 Monate lang hatten sich die Bewohner und die Nachbargemeinden ins Zeug gelegt, um Weiperath auf den Vordermann zu bringen.
Die Schufterei hat sich letztendlich gelohnt
Sie trieben die 1990 begonnene Renovierung der Walholzkirche voran, bauten Brunnen, errichteten Gedenksteine, wienerten, schrubbten und pflegten ihren Ort. Die Schufterei hatte sich gelohnt: Pünktlich zu Beginn der Feierlichkeiten hatten sie den Ort auf Hochglanz poliert. Allein die Eröffnung des Hunsrücker Holzmuseums musste auf 1999 verschoben werden. "Schade", meinte Schuh, "aber das hätten wir nicht mehr geschafft. Alle Beteiligten haben tolles geleistet. Ohne die Mithilfe der Bürger wäre eine solche Feier gar nicht möglich gewesen." Dies war keine leere Floskel des Ortsvorstehers, denn angesichts der leeren Gemeindesäckel hatte der Ort mit etwa 40 000 Mark für die Feier auskommen müssen. Trotzdem war es der Wunsch der Weiperather, sich während der vier Festtage den etwa 8000 erwarteten Gästen von der besten Seite zu zeigen. Un das schien bereits während der ersten drei Tage des Festes gelungen. Die historische Straße mit 69 Ständen, vier historische Ausstellungen, Wanderungen und Planwagenfahrten, deftige Hunsrücker Gaumenfreuden, ein umfangreiches Musik- und Unterhaltungsprogramm auf einer Bühne und im Festzelt lockten Tausende von Besuchern an. Manfred Kirst, der auf der historischen Straße die historische Kartoffeldampfmaschine des Heimatvereins Kleinich vorführte, war begeistert: "Das ist schon allerhand, was ein solch kleiner Ort auf die Beine gestellt hat." Georg Steffen hatte zur Feier den Gemischtwarenladen seiner Eltern mit altem Apothekerschränkchen, Holzregalen und alter Kaufwaage wieder aufleben lassen. "Alle Bürger waren von Anfang an überzeugt von der Feier. Das ist eine mächtige Aufwertung für unser Dorf", meinte er. Was ihm Weiperath wert ist, wusste sein Mitbürger Alois Knoch allerdings schon vorher. Der Dachdecker aus Westfalen wohnt seit 1981 in Weiperath. Aus seiner neuen Heimat möchte er nicht mehr weg. "Ich bin positiv aufgenommen worden und fühle mich inzwischen als richtiger Weiperather." Früher wohnte Knoch an der Autobahn, heute genießt er besonders die Ruhe im Hunsrück. Damit kann er aber erst am Dienstag weitermachen, wenn die Verträumtheit und Abgeschiedenheit wieder in das kleine Dörflein einkehren werden.
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